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Wie sieht die Hamas aus? | Wiener Zeitung | Wiener Zeitung Logo


Sie erheben Steuern, bilden Polizisten aus, bauen Raketen. Wie sich die Terrororganisation im Gazastreifen ihren eigenen Staat aufgebaut hat.

Sie geben sich kampfbereit in Tarnkleidung, Sturmhauben und Raketenwerfer. Sie beherrschen den Gazastreifen seit 16 Jahren. Sie sprechen Israel das Existenzrecht ab. Von den USA, Ägypten und der EU wird die Hamas als Terrororganisation eingestuft. Anfang Oktober hat sie in einem beispiellosen Angriff das schlimmste Blutbad unter Zivilisten in der Geschichte Israels angerichtet. Wer ist die Hamas? Wo liegen ihre Wurzeln, wer finanziert sie und wie sieht ihre Herrschaft im Gazastreifen aus?

Die radikalislamische Palästinenserorganisation entstand im Dezember 1987 als Ableger der palästinensischen Muslimbruderschaft, einem Strang der ägyptischen Muslimbrüder. Diese gelten seit ihrer Gründung 1928 als erste revolutionäre islamische Bewegung im Nahen Osten. Anlass für die Gründung der Hamas war die erste Intifada, der palästinensische Aufstand gegen Israel: Damals rief die Organisation die Bevölkerung des Gazastreifens auf Flugblättern mit der Unterschrift „Harakat al-Muqawama al-Islamiya“ („Bewegung des islamischen Widerstands“) zum Widerstand gegen die israelische Besatzung auf. Im Februar 1988 gab sich die Bewegung als „starker Arm“ der Muslimbruderschaft zu erkennen, und aus „Harakat al-Muqawama al-Islamiya“ wurde das Akronym „Hamas“.

Terror als legitimes Mittel

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Seitdem verfolgt die Hamas den bewaffneten Dschihad, den allumfassenden Einsatz für die Sache Allahs. In ihrer Charta vom August 1988 bekennt sich die Bewegung unmissverständlich zu Palästina und will die Fahne Allahs über ganz Palästina hissen. Dieser eliminatorische Antisemitismus, also die Vernichtung des jüdischen Volkes und Staates, ist die Grundideologie der Hamas, Terroranschläge sind ein legitimes Mittel im Befreiungskampf gegen Israel. Verhandlungen über die Anliegen der Palästinenser gelten der Hamas als Zeitverschwendung, Friedenslösungen widersprechen den Prinzipien des islamischen Widerstands. Damit grenzt sich die Hamas deutlich von der PLO, der Palästinensischen Befreiungsorganisation, ab: Diese hatte den UN-Resolutionen 242 und 338 zugestimmt, mit denen die PLO 1988 den Staat Israel anerkannte. Auch mit der Fatah, der stärksten politischen Partei in den Palästinensischen Autonomiegebieten und Mitglied der PLO, befindet sich die Hamas seit langem auf Konfrontationskurs.

Zum stetig wachsenden Erfolg der Terrororganisation trug unter anderem bei, dass die von der Fatah kontrollierte Palästinensische Autonomiebehörde wegen Korruption und Willkür der Sicherheitskräfte bei einem Großteil der Bevölkerung im Gazastreifen verhasst war. Als Jassir Arafat 2004 starb, verlor die PLO ihre Identifikationsfigur, was 2006 zu einer Wahlniederlage der Fatah führte. In der Folge hat die Hamas die Fatah gewaltsam aus dem Gazastreifen vertrieben. Seitdem setzt sie ihren Machtanspruch auch mit Gewalt gegen die eigene Bevölkerung durch.

Aufbau eines autoritären Staates

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Neben ihrem bewaffneten Arm, den Qassam-Brigaden, baute die Hamas auch politische Strukturen und eine Verwaltung im Gazastreifen auf. Der Schura-Rat wählt das Politbüro, das wiederum die oberste Entscheidungsinstanz darstellt.

Die Hamas bildet Polizisten aus, sie betreibt Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser. Sie verfügt mit „Al-Aqsa-TV“ über einen eigenen Fernsehsender, der Nachrichten, politische Kommentare, Koran-Rezitationen und Kinderprogramme sendet. Damit versucht die Hamas, die Palästinenser:innen für ihre Sache zu vereinnahmen, Kämpfer:innen zu rekrutieren und ihre Finanziers anzusprechen. „Das Ziel der Hamas ist es, Legitimität für die eigene Sache zu gewinnen“, sagt Politikwissenschaftlerin Hanna Pfeifer vom Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung, die zu Terrorismus im Nahen Osten forscht.

Die Hamas hat eine sogenannte „Rebellen-Governance“ aufgebaut. Sie regelt das zivile Leben im Gazastreifen und stellt Güter sowie Service-Leistungen bereit. „Das ist gar nicht untypisch. Rund ein Drittel aller Rebellen in Gewaltkonflikten bauen solche staatsähnlichen Strukturen auf“, sagt Pfeifer.

Ein Drittel aller Rebellen in Gewaltkonflikten baut eine Staatlichkeit auf.Hanna Pfeifer, Politikwissenschaftlerin

Die Hamas gibt sich als wohltätige Organisation, die Bedürftige unterstützt. Auf der anderen Seite hat die Hamas ein autoritäres Ein-Parteien-System errichtet. Es beruht auf Terror und Unterdrückung. Widerstand wird im Keim erstickt. Wer gegen die Hamas auf die Straße geht, muss mit Folter, Gefängnis oder Erschießung rechnen.

Trotzdem hat die Hamas in der Bevölkerung einen relativ starken Rückhalt. „Studien zeigen, dass Menschen mit höherem Einkommen und besserer Bildung die Hamas weniger unterstützen als jene, die von der Unterstützung der Hamas abhängig sind“, sagt Pfeifer. Die Hamas wiederum benutzt die Zivilbevölkerung als Schutzschild. Die Kämpfer:innen verstecken sich in Spitälern und Wohnhäusern. Das macht es für Israels Militär schwierig, sie gezielt zu treffen.

Von ausländischen Geldgebern abhängig

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Doch einen Staat und die Verwaltung am Laufen zu halten, kostet viel Geld. Die Hamas ist auf andere Staaten angewiesen. Hauptsponsor ist der Iran. Laut Schätzungen des US-Außenministeriums fließen rund 100 Millionen Dollar pro Jahr an die Hamas. Teheran liefert darüber hinaus auch noch Waffen und bildet Kämpfer:innen aus.

Ein weiterer großer Geldgeber ist Katar. Der Ausrichter der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 soll jeden Monat rund 30 Millionen Dollar an die Hamas-Verwaltung im Gazastreifen überweisen, damit die Terrororganisation Gehälter, Sozialhilfen, Strom und Treibstoff bezahlen kann. Laut Reuters-Recherchen hat der Wüstenstaat seit 2014 hunderte Millionen Dollar überwiesen. Außerdem bietet das Emirat Ismail Haniyyeh, dem Chef der Hamas, Zuflucht. Eine Woche nach dem Angriff der Hamas auf Israel hat Haniyyeh in Katars Hauptstadt Doha den iranischen Außenminister getroffen.

Die Hamas generiert aber auch selbst Einnahmen – etwa durch Steuern. „Sie hat ihre eigene Ökonomie aufgebaut“, sagt der Terrorismusforscher Peter Neumann vom King`s College in London gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. Darüber hinaus benützt die Hamas auch Kryptowährungen, um internationale Sanktionen zu umgehen und die Geldflüsse zu verschleiern.

Militärische Schlagkraft verbessert

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Trotz der Blockade des Gazastreifens konnte die Hamas über die Jahre ein eigenes Militär aufbauen. Über Tunnel wurden Waffen und Munition in den Gazastreifen geschmuggelt. Die Hamas ist zwar von Waffenlieferungen aus dem Ausland abhängig, sie stellt aber auch selbst Raketen her. Unterstützung beim Bau erhält die sunnitische Hamas von der schiitischen Terrorgruppe Hisbollah aus dem Libanon – obwohl Sunniten und Schiiten verfeindet sind. Und: Die Zahl ihrer Raketen und deren Reichweite wuchs. Sie erreichen sogar die Metropole Tel Aviv. Ihr Arsenal wird auf rund 10.000 bis 15.000 Raketen geschätzt. Die Hamas soll rund 40.000 Kämpfer:innen haben. Deren Stärke liegt in der Schnelligkeit. So auch beim Angriff auf Israel am 7. Oktober, als sie mit Pickups und Motorrädern den Grenzzaun zu Israel durchbrachen.

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Author: Julia Henry

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Name: Julia Henry

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